Balkongeländer

Dieses Projekt war geplant, sobald wir das Haus zum ersten Mal sahen. Der Balkon zur Frontseite bzw. das daran angebrachte Geländer misst in der Breite knapp über 8 Meter. Drei horizontale Stahlstreben halten die Verkleidung. Die bestand bei Bezug aus Baumarkt-Fertigbrettern, die nicht nur zu kurz für diese Anwendung waren, sondern darüber hinaus auch mit einer gesunden Portion Geiz in zu geringer Anzahl beschafft wurden und daher viel zu weit auseinander standen. Im Ergebnis leuchtete der Grundieranstrich der Streben rot durch - auf eine Deckschicht wurde ganz verzichtet - und der Sichtschutz dieser "Lösung" war gleich Null.

Abhilfe soll ein neues Geländer schaffen, das die Stahlstreben verdeckt, Sichtschutz bietet und den Look der Fassade aufpeppt. Außerdem bringt es den ersten Tupfer Teakfarbe ans Äußere, dem über die Zeit der Rest der Holzverkleidung folgen sollte.

Ein 8-Meter Stück will aber erstmal gezeichnet und gefräst sein - allein die Zeichnung zog sich über gut 8 Monate hin, immer mal wieder mit einem abendlichen Stündchen nach vorn gebracht.

Wie man sieht, sieht man nicht sehr viel - das Ding ist einfach viel zu groß. Also nehmen wir uns einen Ausschnitt vor. Hier rechts ist so etwa der erste Meter von links zu sehen. Das neue Geländer wird also komplett aus Platten ausgefräst, das Material der Wahl sind Dreischichtplatten mit 19er Stärke. Das hat den Vorteil, dass die horizontalen Geländerstreben durch kleine eingebrachte Elemente komplett verdeckt werden und zwischen den Latten der Verkleidung nicht mehr zu sehen sind. Einzelne Latten könnten das nicht. Die wesentlichen Elemente der Zeichnung sind aber zunächst ebenfalls vertikale Zaunlatten, die in der Hüfte optisch etwas ausschwenken und zwar zur Mitte hin. Damit die später nicht einzeln aus der Fräse fallen, bleiben sie mit weiteren Elementen verbunden, die eben jeweils auf Höhe der drei Metallstreben sitzen. Diese Elemente sind Rauten und - an jeder vierten Stelle - Blüten. Schwarze Linien werden durchgefräst, rote dagegen nur eingeritzt. Außerdem sind über das ganze Stück verteilt weitere Blumen und Blüten eingebracht, die es optisch aufpeppen, damit es nicht so langweilig aussieht, wie ein Balkongeländer in der Regel eben aussieht. In der Mitte sitzt in einer runden Scheibe die Hausnummer und tut damit kund, dass dies ein individuell gefertigtes Stück ist.

Das ist schnell beschrieben, aber eben nicht schnell gemacht. Die roten Linien werden mit einem 3mm Fräser genutet, die schwarzen mit einem 6mm Fräser durchgefräst. Wo rote und schwarze aufeinander treffen, soll ein durchgehender Linienverlauf erhalten bleiben, was aber bei unterschiedlichem Fräserdurchmesser nicht funktioniert, denn es ergibt sich dann ein Versatz. Da ich nicht mit einem 6er Fräser nuten kann (zu breit, sieht nicht gut aus) und auch nicht mit einem 3er durchfräsen kann (Klinge zu kurz für's Material), müssen die roten Linien so versetzt werden, dass sie unter Berücksichtigung des Fräserdurchmessers eine Fortführung der schwarzen bilden. Allein das war die Arbeit von Wochen. Deutlich wurde das, nachdem die ersten paar Latten mal probehalber gefräst wurden.

Dann nämlich konnte man erkennen, wie der Versatz beim Aufeinandertreffen von ausgefrästen und eingenuteten Linien wirkte. Hier rechts sieht man das ganz gut. Die Blätter der Blüte sind teils ausgefräst und es bleibt nur mehr ein dünner Rest stehen. Die Lösung war also, die auszufräsenden Linien um die Hälfte ihres Durchmessers jeweils weg vom Element zu verschieben. Winzige Elemente, die später wie Löcher wirken (untere linke Ecke in dem Bild rechts) wurden in dem Zuge ebenfalls korrigiert.

An größeren Elementen wie der Blume hier links wirkt die Zeichnung schon ganz nett. Auch hier stimmen die Linienübergänge nicht, aber es fällt weniger auf. Die eingefrästen Linien werden später nach dem Aufbringen der Farbe einen Kontrast bilden und die Kanten auf Vor- und Rückseite erhalten noch eine Frisur mit dem Viertelstabfräser. So vorbereitet war also erstmal klar, wie die Zeichnung aussehen musste.

Die nächste Hürde ergab sich durch die Dimension der Fräse. Obwohl das Ding immerhin 2 Quadratmeter bearbeiten kann, muss hier gestückelt werden - bei 8,15m Länge braucht es also mindestens 5 Stücke. Beschafft wurden daher 5 Platten Dreischichtmaterial mit je zwei Metern Länge sowie ein Eimer Osmo-Teak, zusammen gut 200 Euro. Die wären für 30 anständige Zaunlatten plus Farbe übrigens auch in etwa angefallen. Mit 5 Stücken war es aber ebenfalls nicht getan, denn die Komplexität der Zeichnung - sie besteht aus über 2.500 Einzelobjekten - überfordert bei weitem die Kapazität der Frässoftware. Die läuft nämlich unter dem guten alten DOS und bedient sich daher des konventionellen Arbeitsspeichers von 640 Kilobytes, der in den 70ern mal als für immer ausreichend definiert wurde und mit dessen Grenzen sich Softwareprodukte schon wenig später herumschlagen durften und noch immer dürfen. Für eine Zeichnung bleiben unter Nutzung aller alten Speichertricksereien nach Programmstart noch gute 250 Kilobyte übrig - diese Zeichnung braucht jedoch  mindestens das 10fache. Also wurde weiter gestückelt und die Zeichnung in 9 Elemente aufgeteilt, die jeweils 80-90 Zentimeter Breite haben. Das reichte immer noch nicht, aber es müssen ja noch die roten und schwarzen Linien getrennt werden. Damit braucht das Balkongeländer also 18 Einzelzeichnungen. Uff! Vorweg genommen: Am Ende wurden es dann noch ein paar mehr, denn nicht alles funktioniert gleich so, wie man das gern hätte.

Und los ging's. Platte auf die Fräse, zunächst den 3mm Fräser einspannen, Nullpunkt bestimmen und ab! Zeichnung 1 brauchte gute 20 Minuten, dann kam der 6mm Fräser an die Reihe. Der kann keine 2cm in einem Durchgang fräsen, sodass mehrere Schritte notwendig sind. Ich habe mich für 4 Durchgänge á 5mm entschieden + ein wenig Spiel, denn die Platte liegt nicht überall absolut plan auf. Das wiederum dauerte über 3 Stunden, denn nicht nur die Verfahrwege sind hier länger, sondern auch der Vorschub ist geringer. Für jedes der 9 Elemente sind also gute 4 Stunden anzusetzen und das schränkt die Zeitpunkte ein, an denen es überhaupt Sinn macht, damit anzufangen. Nach Feierabend ist das jedenfalls keine gute Idee mehr. Wenn dafür also nicht der Jahresurlaub angegriffen werden soll, muss sich das Projekt über eine Reihe von Samstagen und damit weitere Monate ziehen. So geschehen.

Sobald ein Element fertig ausgefräst war, ging es an die Nacharbeiten. Zunächst mal funktioniert der Export einer Fräszeichnung in das Plotterformat nicht immer genau wie gewünscht bzw. gezeichnet. Manche Linien werden einfach ein paar Millimeter kürzer oder zuvor geschlossene Formen (zum Beispiel Kreise) sind dann nicht mehr geschlossen. Ich bin noch nicht dahinter gekommen, warum das so ist, also arbeite ich mit der Stichsäge nach, wo ein Element nicht sauber ausgefräst wurde, sondern noch mit einem Steg am umgebenden Material hängt.

Sobald das erledigt ist, werden die Kanten verarztet. Die sind nämlich im rechten Winkel ausgestaltet, weil der Fräser gerade durchstößt und so können sie nicht bleiben. Würde man aber nun jede Kante mit Schleifpapier anfasen, würde das Teil niemals fertig. Ein Fasefräser in der Oberfräse ist also das Werkzeug der Wahl - praktischerweise mit Anlaufring. Mit dem werden nun alle Innen- und Außenkanten des Werkstückes behandelt, einmal auf der Vorderseite, ein weiteres Mal auf der Rückseite. Damit ist dann gesichert, dass aus der Fräskante keine Späne ausreißen und zugleich dient die Fase als konstruktiver Holzschutz, weil sie Wasser zur Fläche hin ableitet und unten eine Tropfkante bildet. Zu guter Letzt werden die eingenuteten Linien noch von den darin verbliebenen Spänen befreit, das geht ganz gut mit einer festen Bürste.

Wenn das für alle Werkstücke erledigt ist, steht das Geländer fertig gefräst bereit. Das Fräsen dauerte gut 4 Wochen, denn wie gesagt war das nur an Wochenenden möglich. Der Verschnitt ist im Verhältnis zur genutzten Fläche zwar gering, in absoluter Menge aber immer noch beachtlich. Der spendete feine Kaminwärme an kühlen Frühlingsabenden. Die Filetstücke werden nun gestrichen und zwar in Teak, denn das ist ja der Zweck der Übung.

Das beiderseitige Streichen großer Objekte ist immer etwas knifflig. Stellt man sie dazu irgendwo hin, kommt man nicht an die Unterseite heran und meist auch nicht an die Rückseite. Legt man sie auf eine Ebene, verläuft die Farbe nach hinten und die zuerst gestrichene Seite ist nach dem Streichen der zweiten Seite voller Flecken und Laufstreifen. Außerdem muss bei beiden Methoden das halbfertige Stück umgedreht werden, um an die andere Seite zu gelangen. Am einfachsten komme ich damit zurecht, wenn ich das Werkstück aufhänge. Hier hängt das Mittelelement an Deckenhaken - man kann es auf dem Weg gleichmäßig von beiden Seiten streichen und es trocknet ohne Auflagestellen. Allerdings bringt diese Methode mit sich, dass jedes neue Stück auf das Abtrocknen des vorherigen warten muss, sodass hier wieder einige Tage ins Land zogen. Man sieht aber bereits, wie gut die eingefrästen Linien kontrastieren und wie sauber diesmal der Linienverlauf zwischen den Nuten und den Lücken ist. Die lange Arbeit daran hat sich gelohnt.

Als alle Stücke gestrichen waren, ging es gleich an die Montage. Die rot grundierten Geländerstreben wurden zunächst mal braun überlackiert, nachdem die alten Latten ab waren.

Man sieht nun am fertigen Stück, wie die kleinen Rauten und Blüten die horizontalen Streben verdecken, die zuvor hübsch rot durchgeleuchtet hatten. Zudem stehen die Latten dichter beieinander, wodurch ein Sichtschutz entsteht. Die Hausnummer hat auch einen praktischen Nutzen, denn durch eine Hecke vor dem Grundstück konnte man sie früher von draußen schlecht erkennen. Die Farbe war wie gesagt der erste Tupfer, der Rest des schwarzen Holzes wurde im darauf folgenden Jahr im Fassadenprojekt verarztet.

Das Projekt war ein durchschlagender Erfolg, es hat genau nach Plan funktioniert und die Leute bleiben auf der Straße stehen und zeigen mit dem Finger darauf. Ich behaupte, dies ist mit über 8 Quadratmetern das größte privat CNC-gefräste Werkstück der Republik. Wenigstens, bis mir jemand ein größeres zeigt.