Einlinienschriften

Eine CNC-Fräse empfängt über ihre Elektronik die Steuerbefehle, die sie aus einer Zeichnung ableitet. Die Zeichnung besteht aus Linien, die der Fräser dann nachfährt. Das können Kreise oder Strecken sein und letztlich bestehen auch Buchstaben aus nichts anderem als Kreisbögen und Strecken. Dummerweise ist es aber so, dass die unter Windows üblichen True Type Fonts einen Buchstaben nicht wie ein Stift oder Fräser anhand einer einzigen Linie darstellen, sondern vielmehr aus einem Rahmen und einer Füllung bestehen. So schön das auch ist, wenn man in Zeichenprogrammen mit Umrandungen und Füllfarben spielt - für's Fräsen ist diese Eigenschaft unpraktisch.

Es gibt Fräsanwendungen, bei denen die Buchstaben so groß sind, dass der Fräser problemlos auch den Umriss der Buchstaben fahren kann. Meistens ist es aber so, dass er nur eine Linie fahren soll und wenn er die dann einmal innen und einmal außen an der Umrandung des True Type Zeichens fährt, wirkt dieses Zeichen nicht mehr proportional, denn der Fräser fügt der Linie seinen eigenen Durchmesser hinzu.

Ein Beispiel: Hier links ist die original Aufschrift aus dem Projekt Akkuspender zu sehen. Die Buchstaben sind in der Schriftart Arial kursiv dargestellt und haben keine Füllung, denn damit kann die Fräse nichts anfangen. Der Fräser fährt an der Umrandung entlang. Hat der Fräser einen Durchmesser von weniger als einem Millimeter, dann löst das bei dieser Schriftgröße (im Beispiel sind die Buchstaben 2cm hoch) ganz gut auf. Solche Fräser sind aber teuer und außerdem ruckzuck kaputt. Wählt man aber einen Fräserdurchmesser von zum Beispiel 3mm, dann sieht das Ergebnis wie hier im zweiten Bild aus.

Die Buchstaben verschwimmen, kleine Einschlüsse wie bei "e" oder "A" brechen aus oder verschwinden von vornherein. Bei einem 6mm Fräser sähe die gleiche Schrift so wie hier aus, nun ist überhaupt nichts mehr zu erkennen. Die Schrift löst erst dann wieder lesbar auf, wenn die Buchstaben sehr viel größer werden oder aber der Fräserdurchmesser sehr viel kleiner.

Für die Lösung dieses Problems gibt es am Markt so genannte Einlinienschriften zu kaufen. Sie bestehen - nomen est omen - eben nicht aus einem Umriss, sondern nur aus einer Linie und weil sie nicht von vielen Menschen benötigt werden, kosten sie viel Geld. Auf der Suche nach Alternativen zum Kauf solcher Schriften gibt es drei mögliche Wege: Man kann eine Einlinienschrift "tracen", man kann sie sich selbst malen oder man erstellt direkt einen entsprechenden True Type Font..

Tracen

"Trace" ist englisch und heißt Spur oder auch "kleine Restmenge" und das Verb "to trace" bedeutet verfolgen. Beim Tracen wird die ursprüngliche Schrift mit Füllung zunächst einmal in eine schwarzweiße Pixelgrafik konvertiert. Diese Pixelgrafik hat an den schwarzen Stellen eine bestimmte Breite, zum Beispiel sind die hier dargestellten Buchstaben 20 Pixel (=Bildpunkte) breit. Der Trace reduziert diese Breite nun auf ein einziges Pixel in der Mitte der vorgefundenen Pixelmasse und erzeugt so das gewünschte Ergebnis einer Einlinienschrift. Die lässt sich dann wieder in ein Vektorformat exportieren, denn mit Pixeln kann die Fräse ebenfalls nichts anfangen.

Traceprogramme liegen den meisten Zeichenprogrammen als kleine ergänzende Tools bei, man kann damit nett herumspielen und verschiedene Dinge mit Pixelgrafiken anstellen. Zur Schrifterzeugung ist aber zumindest das mir vorliegende Produkt nur begrenzt geeignet, denn wie man sieht, fällt der Trace bei der hier verwendeten Kursivschrift nicht so toll aus. Bei gerade stehenden Schriften ist das Ergebnis besser. Man kann es aber nach dem Export in ein Vektorgrafikformat noch korrigieren, denn dann wird wieder jede Strecke einzeln zwischen zwei Knotenpunkten dargestellt. Jeder Knoten kann beliebig verschoben werden und auf diesem Weg lässt sich das gewünschte Ergebnis erreichen.

Klingt kompliziert und ist es auch. Für die meisten meiner bisherigen Anwendungen war das Tracen nicht die Lösung, die Nacharbeiten waren erheblich und unschön. Ich bin daher dazu übergegangen, mir selbst Einlinienschriften zu malen.

Malen

Im Vergleich zum Tracen ist der Aufwand hier zwar ähnlich, doch hat er den großen Vorteil, dass er nur einmal entsteht. Benötigt wird dafür lediglich das Zeichenprogramm, das auch die Schrift darstellt, ich verwende Corel Draw, das in älteren Versionen günstig zu haben ist.

Im Zeichenprogramm kann man nun die zuvor ohne Füllung geschriebenen Buchstaben vergrößern und exakt ("nach Auge" ist meist schon hinreichend exakt) zwischen innerem und äußerem Rand eine Linie zeichnen. Bei Strecken ist das völlig simpel, aber auch Kreisbögen lassen sich mit etwas Übung problemlos darstellen.

Ist das erledigt, nimmt man die zuvor geschriebenen Buchstaben wieder weg und übrig bleiben die innen liegenden Linien. Sie sehen in der Proportion etwas schlank aus, erhalten aber die richtige Proportion durch den Durchmesser des Fräsers zurück. Wenn man die Stiftstärke im Zeichenprogramm dem späteren Fräserdurchmesser anpasst, kann man das Fräsergebnis sehr gut simulieren, wie das dritte Bild hier zeigt.

Dieser Weg ist nicht nur eine einfache Art, die in der Fräsdatei benötigten Schriftelemente aus einem beliebigen True Type Font zu erstellen, sondern lässt sich natürlich auch speichern und wieder verwenden. Die Linien einzelner Buchstaben werden zu Gruppen kombiniert und lassen sich jederzeit schnell wieder zu neuen Wörtern zusammen setzen - ähnlich einer Setzbank, an der früher Druckvorlagen erstellt wurden, nur eben am Bildschirm.

Diese Methode kostet nichts, ist wieder verwendbar und kann für jede Schrift angewendet werden. Diesen Schriftsatz habe ich mir inzwischen komplett angelegt, weitere werden folgen. Auch bei großen Schriften ist diese Methode gut anzuwenden, denn erstens kann man ja den Durchmesser des Fräsers variieren und zweitens lässt sich leicht eine Kontur in definiertem Abstand um die Zeichnung legen, die dann wiederum bewirkt, dass der Fräser mehrere Linien nebeneinander fährt. Worauf man achten muss, ist die Verschmelzung bzw. Kombination der einzelnen Linien und Bögen, die einen Buchstaben bilden. Wenn die nämlich im Zeichenprogramm einzelne Objekte darstellen, lassen sie sich nicht nur schwieriger verschieben (dafür werden sie erstmal gruppiert), sondern der Fräser behandelt sie auch als solche und fährt ständig rauf und runter, weil er ein neues Objekt mit neuen Startkoordinaten annimmt. Kombinierte Elemente werden dagegen wie ein Objekt behandelt, was sich spürbar auf die Fräsdauer auswirkt.

Font erstellen

Zuletzt gibt es noch Programme, mit denen man selbst True Type Fonts erstellen oder bestehende modifizieren kann. Ein Beispiel dafür ist "Font Creator" von High-Logic, eine Trial Version dieses Produktes kann man auf Sharewareseiten herunterladen und einen Monat kostenlos ausprobieren. Ich habe auch damit herumexperimentiert, aber letztlich muss ein True Type Font eben auch in solchen Programmen eine Kontur haben, damit er als solcher problemlos gestaltet werden kann. Die Methode des "Malens" von Buchstaben ist daher für meine Anwendungen die Zweckmäßigste und ich werde dabei bleiben.

Andere haben aber eher einen Kompromiss zwischen der Notwendigkeit einer Kontur und den Bedarfen der Fräse gesucht und True Type Fonts entwickelt, deren innere und äußere Linie extrem dicht aneinander liegen. Ein Beispiel dafür ist der Font SIMPLEX.TTF, den man in verschiedenen Variationen leicht im Internet findet. Die Konturen liegen hier so eng aneinander, dass die Linien zwar zweimal gefahren werden, je nach Größe der Buchstaben aber wie eine Linie auflösen. Das ist im Einzelfall ganz brauchbar, aber irgendwie nicht Fisch und nicht Fleisch, weshalb das "manuelle Tracen", sprich das Einzeichnen einer Mittellinie in einen Buchstaben, für meine Zwecke die beste Lösung darstellt.